Etienne Perret, Direktor Conservenfabrik Roco, Rorschach

Etienne Perret, Direktor Conservenfabrik Roco, Rorschach
Etienne Perret, Direktor

(Rorschacher Conserven)

Herr Direktor Etienne Perrets Leben und Wirken ist im «Ostschweizerischen Tagblatt» mehr in allgemeiner Form gewürdigt worden. In der «Monats-Chronik» soll des Heimgegangenen in seiner wirtschaftlichen Bedeutung für Rorschach gedacht werden.

Ihm schulden Rorschach und die Nachbargemeinden besonderen Dank, denn Direktor Perrets Initiative, Arbeitsfreudigkeit, Unternehmungsgeist und Weitblick sind für unsere Gegend von grosser Bedeutung geworden. Die 40 Jahre, in denen er an der Spitze der Conservenfabrik Rorschach AG gestanden ist, wurden zum Segen für alle jene zahlreichen Einwohner, die direkt und indirekt mit dem Unternehmen in Verbindung standen. Das Antlitz des westlichen Teiles von Rorschach wurde verändert. Neben den älteren kleineren Fabrik- und Büroräumen entstanden im Laufe der Jahre neue Fabrik- und Lagerhäuser, sie bedecken eine Fläche von 36000 Quadratmeter. Die ausgezeichnete Planung der grossen Anlage ist das Werk von Etienne Perret. Deren Notwendigkeit geht aus dem frankenmässigen Umsatz hervor, der sich von 1916 bis 1952 verzehnfacht hat. Die Anzahl der Arbeiter -ohne die Büro-Angestellten mitgerechnet ist von 60 auf 600 angewachsen; der ausbezahlte Betrag für Löhne und Gehälter hat sich in der gleichen Zeit verzwanzigfacht.

Bis zum Beginn der zwanziger Jahre bezog die Conserven-Industrie die Erbsen aus Süddeutschland. Die älteren Rorschacher erinnern sich noch gut an die grossen Ledischiffe, die beladen mit Frisch-Erbsen beim Kabisplatz landeten. In der Zeit der Stickereikrise propagierte Direktor Perret den Erbsen-Anbau im Rheintal und im Oberthurgau, später kamen noch weitere Gebiete in der Ost- und Nordostschweiz dazu. Es war gar nicht leicht, das Kleinbauerntum zum Erbsen-Anbau zu bewegen; seither bildet er einen sehr willkommenen zusätzlichen Verdienst. Heute pflanzen rund 5500 Familien Erbsen, Bohnen und Spinat für die Rorschacher Conservenfabrik.

Auf die Initiative von Herrn Dir. Perret hin ist auch die Produktion der Tiefkühl-Produkte aufgenommen worden, nachdem eine moderne, sehr grosse Tiefkühlungsanlage erstellt worden war. Es wurde eine besondere Gesellschaft FRISCO für den Verkauf dieser Produkte gegründet. Es ist eine besonders mutige Tat des Heimgegangenen, dass er das erste Tiefkühl-Unternehmen in der Schweiz geschaffen und für die Herstellung dieser Produkte neue Wege beschritten hat, die sich bewährten.

Eine weitere Tochtergesellschaft wurde von Herrn Perret durch die Fleischwarenfabrik Wallisellen der Conservenfabrik Rorschach angegliedert. Leider erlebte er den von ihm propagierten grosszügigen Ausbau dieses Unternehmens nicht mehr.

Herr Dir. Perrets fortschrittlicher Wille hat als erster in der Schweiz die Corned-Beef-Fabrikation aufgenommen und in grossem Massstabe durchgeführt. Diese Initiative war in Bern besonders freudig begrüsst, als die schweren Absatzstockungen von Frischfleisch die Landwirtschaft sehr drückten. In jene Zeit fiel auch die Erzeugung der bekannten und sehr geschätzte Diner-Roco, eine fixfertige Mahlzeit, aus einem Fleisch- und einem Gemüsegericht, es bildete ein Novum in der schweizerischen Lebensmittelindustrie.

Den grössten und dauernden Erfolg mit neuen Artikeln erzielte Herr Direktor Perret mit den Ravioli, die heute aus den Lebensmitteln nicht mehr wegzudenken sind. Trotzdem die Ravioli vielfach konkurrenziert wurden, ist der Erfolg den Roco-Ravioli geblieben. In allen Produkten, die im Unter nehmen gemacht werden, galt die grösste Aufmerksamkeit der Qualität, von der sich der Heimgegangene jeden Tag selbst überzeugte.

Herr Perret dachte aber nicht nur an die Produktion und deren geschäftlichen Erfolge, sondern auch an die Mitarbeiter und Arbeiter im Unternehmen. Er sprach das viel missbrauchte und im politischen Leben zum Schlagwort gewordene Wort "sozial" selten, aber er handelte sozial. Die Zuwendungen an das Personal, die Herr Perret im Verwaltungsrat beantragte, erreichen heute die Summe von 1 3/4 Millionen Franken. Ueberdies leistet das Unternehmen jedes Jahr noch einen beträchtlichen Beitrag an die bestehende Pensionskasse. Die sozialen Gesamtzuwendungen, ohne die gesetzlichen Leistungen an die AHV, bleiben ungefähr in der Höhe der Dividenden. Es hatte einen guten Grund, dass Herr Direktor Perret in der Arbeiterschaft «Vater» genannt wurde.

Herr Etienne Perret, aus dem Neuenburger Jura, war ein Mann von Temperament und Willenskraft, ein Schweizer eigener Kraft, ein Mensch wortloser, stiller Güte.

Sein Andenken bleibe in Ehren.

Buchtitel: Rorschacher Monatschronik 1953, S.137-138
Text: E. L. B.
Copyright: 1953 by E. Löpfe-Benz, Rorschach

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