Badefreuden in alt Goldach

Goldacher Badi in den Sechziegerjahren (Photo: Technische Betriebe)
Goldacher Badi in den Sechziegerjahren (Photo: Technische Betriebe)

Täglich duschen, ein erfrischendes Bad nehmen – und das bei jeder Gelegenheit. Duschgel und Badzusätze in allen Varianten. Kaum mehr zu übertreffen. War es in Goldach schon immer so?

Nein, ganz und gar nicht. Drehen wir das Rad der Zeit nur knapp 100 Jahre zurück, und wir befinden uns in einer ganz anderen Situation. Damals hatten nur erste wenige Häuser fliessendes Wasser. Die grosse Mehrheit der Goldacher musste sich das Wasser mit Kübeln und Eimern am Dorfbrunnen holen.

Elektrische Boiler gab es noch nicht. Der erste Stromanschluss wurde 1907 realisiert, und auch Gas war erst um 1908 erhältlich. Wer sich mit warmem Wasser waschen wollte, musste dieses mit Behältern herbeischaffen und mühsam auf dem Holzherd aufheizen. Tägliches Baden oder Duschen war zu beschwerlich.

Im Folgenden muss ich auf Erzählungen meiner Grossmutter und meiner Mutter zurückgreifen:
Die Hygiene um 1900 beschränkte sich weitgehend auf tägliches, erfrischendes Waschen des Gesichts mit kaltem Wasser aus dem Eimer oder am Brunnen. Landauf, landab war der Samstag der Tag, an dem die Körperpflege etwas ausgedehnter erfolgte. Das aufgewärmte Wasser wurde in einen grossen Holzzuber geschüttet und musste für die Körperpflege der ganzen Familie reichen. Die Rangordnung war streng ein­zuhalten. Den Vortritt hatte immer der Vater, denn er war das Oberhaupt der Familie, was sich auch beim Baden zeigte. Im zweiten Rang folgten die grösseren Kinder und dann die Kleinen, bei denen die Mutter noch mithelfen musste. Sie selbst kam ganz am Schluss. Die Körperpflege fand in einem abgeschlossenen Raum neben der Küche statt. Als Hilfsmittel diente eine Kernseife oder auch selbst gemachte Schmierseife – heute kaum mehr vorstellbar.

Goldacher Badi in den Sechziegerjahren (Photo: Technische Betriebe)
Goldacher Badi in den Sechziegerjahren (Photo: Technische Betriebe)

Und wie stand es mit einem öffentlichen Bad? Der See war lange Zeit ein gefürchteter Ort. Dies änderte sich nur sehr langsam. Dabei waren es vor allem die neuen Einwohner, die entlang dem Seeufer Badehäuschen erbauten und sich in züchtigen Kleidern an einem kühlen Bad erfreuten. Um 1900 herum getrauten sich an heissen Wochenenden immer mehr junge Goldacherinnen und Goldacher ins Wasser – vorerst aber in der Goldach. Für die Frauen und Mädchen war der Flussabschnitt unterhalb des Bahnviadukts bis zur Bruggmühle bestimmt. Die Männer vergnügten sich hinter der Blumenegg, denn Baden mit der ganzen Familie am gleichen Ort war streng untersagt.

Badehosen oder Badekleider waren damals für viele Einwohner unbekannt, und so wurden lange Tag- oder Nachthemden zwischen den Beinen zusammengebunden oder mit einer Sicher­heitsnadel zusammengehalten.
Diesem Treiben sahen die katholischen Pfarrherren mit Sorge zu. Von Sittenzerfall und öffentlichem Ärgernis war die Rede. Aber alle Drohungen und Geise­lungen der Sünde nützten nichts. Der Drang nach Badefreuden war nicht mehr aufzuhalten.

Mit der Zeit wünschten sich viele Goldacher eine Badeanlage am See – aber wo? Die ganze Länge des Seeanstosses der Gemeinde war entweder durch die Eisenbahn oder aber durch Land im Privatbesitz versperrt. Schliesslich brachte die Goldach die Rettung. Im Jahr 1898 wurde der Fluss korrigiert und begradigt. Jedes Gewitterhochwasser brachte viel Geschiebe mit, und es ent­stand bei der Mündung eine kleine Landzunge. Zudem war der Weg auf der Flussmauer öffentlich, sodass sich hier der Bau einer kleinen Badeanstalt förmlich aufdrängte.

Goldacher Badi in den Sechziegerjahren (Photo: Technische Betriebe)
Goldacher Badi in den Sechziegerjahren (Photo: Technische Betriebe)

Im Jahr 1932 war es dann soweit: Eine streng nach Geschlechtern getrennte Badehütte mit Umkleidekabinen wurde gebaut. Alles war mit hohen Bretter­wänden umgeben, und noch im See sorgte ein Gitter mit Stacheldraht dafür, dass eine Annäherung von Männern und Frauen nicht stattfinden konnte. Der die Moral schützende Bretterzaun hatte aber auch seine Nachteile. Sonne, Regen, Hitze und Kälte führten dazu, dass sich Spalten im Holz bildeten und Astlöcher entstanden. Der Badmeister war ständig daran, den Sichtschutz mit Brettern und Blech zu gewährleisten, damit ja kein sündiger Blick auf die andere Seite möglich war.

Ewas schwieriger gestaltete sich die Abgrenzung im Wasser. Um auch dieses Problem zu lösen, wurden zwei Flosse angebracht, eines für Männer und eines für Frauen. Und wenn es sich jemals ein Lümmel erlaubte, sich schwimmend dem Frauenfloss zu nähern, so ertönte die Trillerpfeife des Badmeisters, was eine Verwarnung oder im Wiederholungsfalle gar ein Badeverbot nach sich zog.

Waren das noch Zeiten, als man zum Bade kam, ohne dass die Moral einen Schaden nahm!

Text: Heiri Bärlocher
Originalartikel im Wellenbrecher Nr. 72 vom Juni/Juli 2007
Copyright: Gemeinde Goldach

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