Die Goldacher Knochenmühle

Knochenmühle neben Rest. Lindenhof, Goldach
Knochenmühle neben Rest. Lindenhof, Goldach

Knochen als wertvoller Rohstoff ? Für uns ist das kaum mehr vorstellbar. Knochen werden heute bestenfalls an den Hund verfüttert, wandern in der Regel aber in den Abfall.

In der Zeit des zweiten Weltkrieges konnte man sich diesen Luxus nicht leisten. Knochen wurden verarbeitet und weiterverwendet. Auch in Goldach stand dafür eine Knochenmühle, ein kleines Gebäude zwischen dem heutigen Höllenbeck und dem Restaurant Lindenhof. Wer den Gestank aus Knochen verarbeitenden Betrieben kennt wird sich wundern, dass solche Einrichtungen damals mitten im Dorf geduldet waren.

Die kleinen Knochenmühlen hatten aber bereits 1938 ausgedient. Die Knochen wurden grösseren Betrieben zugeführt. Ein solcher stand beispielsweise im thurgauischenMärstetten.

Um den Gestank bei den Betrieben und auch während des Transports erträglich zu machen, baute man sogenannte Abschmeckschuppen. Auch in Goldach diente eine Bretterbude in der alten Kiesgrube in der Schuppis diesem Zweck. Erst wenn sich der grösste Gestank der Knochen verflüchtigt hatte, erfolgte der Weitertransport in die Mühlen.

Die Knochenhäuschen hatten es in sich, haben dort doch Millionen von Fliegen ihre Eier abgelegt. Nach dem Krieg haben wir die Maden gleich gläserweise geschöpft, um sie fürs Fischen am See zu verwenden.
Während dem Krieg waren die Metzgereien zum Sammeln von Knochen und zur Abgabe verpflichtet. Aber auch die Hausfrauen wurden immer wieder öffentlich zum Sammeln aufgerufen. Einem solchen Aufruf ist beispielsweise zu entnehmen : « Hausfrauen, sammelt Knochen ! Schafft sie durch Sammler, Händler oder direkt in die Knochen verarbeitenden Fabriken ! Knochen sind ein wertvoller Bestandteil des Volksvermögens, sie sind für die Wirtschaft unentbehrlich und bringen Arbeit und Verdienst. »

Dass der Knochen ein wichtiges Rohmaterial war, wird auch aus einer weiteren Publikation deutlich :

Aus 1 kg Knochen kann gewonnen werden :
ca. 100 g Knochenfettausreichend für ein grosses Stück Seife ( ferner noch Stearin für Kerzen und ­etwas Glyzerin )
ca. 140 g Leimgenügend um z. B. einen Tisch mit 4 Stühlen zu verleimen
ca. 500 g Knochenmehlwomit hochwertige Volldünger hergestellt werden, genügend um ca. 5 m² Land während eines ganzen Sommers ausreichend zu düngen.

Die Behörden machten auch darauf aufmerksam, dass rund 10’000 Tonnen Knochen pro Jahr gesammelt werden könnten, wenn dieses Material nicht gedankenlos in den Kehricht geworfen oder sogar verbrannt würde.
Damals war es selbstverständlich, dass der Metzger seine Kunden beim Kauf eines Kotelettes oder eines Suppenknochens auf die Abgabe hinwies. Wie sich die Zeiten ändern

Text: Heiri Bärlocher
Originalartikel im Wellenbrecher Nr. 83 vom September/Oktober 2009, S.18
Copyright: Gemeinde Goldach

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