Die Heilquelle von Goldach

Inserat «Mineralquelle Goldach»
Inserat «Mineralquelle Goldach»

In Goldach träumte man einst von einem blühenden Kurort.

Im Mühletal entsprang eine eisen- und manganhaltige Quelle

«Noch selten sahen wir an einem Orte so viele günstige Faktoren zur Begründung einer Kuranstalt sich vereinigen wie in Goldach, obschon es in unserem Schweizerlande an herrlichen Lagen und Aussichtspunkten bekanntlich nicht mangelt». Diesen selbstsicheren Satz las der Chronist nicht etwa in einer Werbeschrift des heutigen Goldacher Verkehrsvereins. Wir müssen einen Blick in die Vergangenheit tun. Es war nämlich in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts, als man in Goldach ernstlich daran dachte, eine im Mühletal entspringende Heilquelle zu fassen und aus Goldach einen Kurort zu machen, der weitherum von sich reden machen sollte. Ausgedehnte Quellen-Untersuchungen und ihre Ergebnisse bildeten die Grundlage der später erstellten Trinkhalle und zum Mineralwasserexportgeschäft der Herren Hättenschwiler & Söhne von der Bruggmühle.

In einem «Führer für Rorschach und Umgebung», der im Untertitel die Zeilen «Neueste, sichere und zuverlässige Schilderung für Einheimische und Fremde, nach den besten Quellen bearbeitet» trug, und der ein handliches Büchlein für die Kurgäste von Rorschach bedeutete, wird die Eisenquelle zu Goldach rühmend erwähnt. «In dem herrlichen Gelände des Rorschacherberges, 1/4 Stunde über Rorschach, ganz eingebettet in einen Wald von Obstbäumen, liegt das freundliche kleine Dorf Goldach, das wir durchschneiden, ob wir auf der Eisenbahn oder der Landstraße von St. Gallen nach Rorschach fahren. Einige Minuten von der Dorfkirche entspringt eine Eisenquelle, die zwar schon seit langer Zeit bekannt war, aber wenig beachtet wurde, bis der Eigentümer derselben, darauf aufmerksam gemacht, veranlasst wurde, dieselbe fassen und einer quantitativen Analyse Unterwerfen zu lassen, die das günstigste Resultat aufweist.» Im gleichen Büchlein findet man auch ein Inserat, das zur Benützung der «Mineralquelle Goldach» einlädt (siehe verkleinerte Reproduktion oben).

Heilquelle um 1870 beim heutigen Fussballplatz Goldach
Heilquelle um 1870 beim heutigen Fussballplatz Goldach

Näheres war uns bis jetzt nicht bekannt, bis der Briefträger uns ein Büchlein von einem Chronikleser brachte, das eine Beschreibung der Goldacher Heilquelle enthält und im Jahre 1870 herausgegeben wurde. Wir wollen es uns in der Stube gemütlich machen und in der Schrift, die von einem Herrn Dr. R. Th. Simler geschrieben wurde, blättern und verweilen.

Die Entdeckung der Goldacher Mineralquelle wird einem piemontesischen Erdarbeiter, Angelo Delucchi, zugeschrieben. Er war im Mühletal beschäftigt und es fiel ihm auf, dass ein kleines Wässerlein, an dem er täglich vorbeiging, hinsichtlich der Kieselfärbung und des Geschmackes eine Aehnlichkeit mit der «Acqua rossa» im Tessin hatte, einer Eisenquelle, woselbst er in früheren Jahren so oft seinen Durst mit «wohltuendem Erfolge» gestillt hatte.

Das Büchlein berichtet dann, «durch Angelo Delucchi erst wurde man auf die Quelle, die hart am Eisendammweg in ein nebenfließendes Bächlein sich ergoss, achtsamer, wiewohl sich nun ältere Leute an deren Existenz seit mehr denn 20 Jahren erinnerten.

Nicht demjenigen gebührt das Verdienst, der weiss, dass Etwas da ist, sondern demjenigen, der mit gewecktem Geiste den innern Wert einer Sache erkennt, und dessen Ideenassociationen ihn treiben, sie zum Wohle der Menschheit bekannt und nutzbar zu machen. Angelo Delucchi musste sich begnügen, bekannt zu geben, dass er glaube in Goldach Quelle eine «Acqua rossa» ähnlich wie im Tessin, die weiteren Konsequenzen ergaben sich dann von selbst. Wirklich bestätigten einzelne Apotheker durch qualitative Reaktionen den reichen Eisengehalt.

Diese Tatsachen blieben indes ohne Eindruck auf das grosse Publikum von Goldach und Umgebung. «Was kann an diesem Wässerlein liegen, an dem wir seit Kindsbeinen gleichgültig vorüber gegangen, oder mit Verziehung des Mundes daran wohl auch schon unsern Durst gelöscht haben?»

Philosophiere wer da mag, uns rufen unsere Aecker, unsere Fabriken, unsere Mühlen! In der Tat, wer unermüdeten Treiben des praktischen Geschäftes und Berufes die Stunden des Tages ausgefüllt sieht, der vernimmt wohl gerne Neuigkeiten, doch bleiben sie ohne Einfluss auf sein Handeln und werden bald wieder vergessen. Es bedarf stets eines Zusammenwirkens geeigneter Zeiten, Leute und Umstände, um eine Idee mit Erfolg zu portieren.

Herr Tierarzt Hälmly war der hiefür erkorne Mann. Kaum drang die Kunde von einem eisenführenden Mineralwasser in Goldach auch an sein Ohr (erst im Juli 1868), so erwachte in seinem industriösen Sinne der Gedanke der Action. Die Ideenassociation des Angelo spann sich bei ihm weiter aus und da ihm die Mittel und Wege nicht unbekannt waren, durch die ein Mineralwasser an's Tageslicht gezogen werden muss, so gelang es seinem Eifer, den Eigentümer der Quelle, Herr J. A. Hättenschwiller, zu bewegen, Proben des Wassers an verschiedene Chemiker zur Untersuchung und Begutachtung versenden zu lassen. Sowohl von Herrn Prof. Dr. Schwarzenbach in Bern, als auch von dem Verfasser, kamen unabhängige übereinstimmend günstige Berichte zurück.»

Nachdem die Ergebnisse der chemischen Untersuchungen vorlagen, machte Herr Dr. Dudly in Rorschach praktische Versuche mit seinen Patienten. In seinem Tagebuch aus dem Sommer 1869 ist zu lesen, dass unter den 46 Patienten, welche die empfohlene Trinkkur machten, 27 vollkommen Geheilte, 17 Gebesserte und 2 Ungeheilte waren, Ein anderer Arzt, Herr Dr. Kauss in Wittenbach, bestätigte brieflich die sehr günstige Wirkung des Goldacher Mineralwassers bei zweien seiner Patientinnen, die an Bleichsucht litten. Der Verfasser der Werbeschrift appellierte an die «geehrten Herren Aerzte» der Umgebung, sie möchten durch recht viele Beobachtungen sich von dem Heilschatze überzeugen, den eine freigebige Natur in ihrer unmittelbaren Nähe quellen lässt, und nicht beirrt werden durch rein unnützes Gerede über «ordinäres Wasser» und dergleichen.

Man versprach sich grosse Wirkungen bei Krankheiten wie Störungen des Verdauungssystemes, bei Schwächezuständen in Folge von längeren, schweren Krankheiten, bei chronischen Katarrhen, Rheumatismen. Im gleichen Atemzuge wurden die klimatischen Verhältnisse Goldachs gelobt. «Wir geben Goldach ausser der Eisenquelle auch noch eine Bedeutung als klimatischen und Traubenkurort und zum Erfolg einer Kur müssen bekanntlich alle Faktoren harmonieren. Goldach hat ein sehr mildes Klima. Dies findet seinen bestätigenden Ausdruck in dem vorzüglichen Gedeihen der Weinkultur.»

Den Kurgästen wurde in Aussicht gestellt, dass «ein Fremdenhotel moderner Art der Ortschaft fehle, dagegen gibt es mehrere gute Gasthäuser, in denen der nicht blasierte Reisende, beziehungsweise Kurgast, ein freundliches Unterkommen findet. Länger weilende Kuranten dürften ausserdem in manchen der so sauber aussehenden Privathäuser Logis erhalten, denn die Seebadkurorte Rorschach und Horn haben den industriellen Sinn der intelligenten Bevölkerung wohl auch in dieser Beziehung geöffnet. Schliesslich bleibt immer noch das nahe Rorschach mit seinen vielen Gasthöfen - worüber in jedem Schweizerführer nachzulesen - in Reserve.»

Ein paar geschichtliche Notizen ließen den Kurgast wissen, dass er auf beinahe historischem Boden stand, wenn er nach Goldach zur Kur ging. «Zum Preis der wundervollen Lage darf auch noch erwähnt werden, dass seit alten Zeiten vornehme und reiche Herrschaften sich hier Plätze für ihre Schlösser und Sommersitze ausgesucht haben, und dass noch vor wenig Jahren eine mit Luxus ausgestattete Villa, genannt «zum Seefeld», unterhalb Goldach, nahe am Seegestade erstanden ist, die seit 1867 durch Kauf in den Besitz Ihrer Majestät, der Königin Mutter von Würtemberg, überging.

Wenn man nun annehmen darf, dass gekrönte Häupter und vor allem so sinnige Frauen wie die Genannte, keine melancholischen Orte zu ihrem Sommersitze auswählen werden, so wird diese fürstliche Besitzergreifung für das republikanische Goldach nur ein günstiges Prognostikum sein können.»

Warum hört und sieht man heute nichts mehr von einer Goldacher Heilquelle? Versiegte die Quelle im Mühletal oder fanden sich zu wenig Kurgäste ein, damit die «für ganz Goldach so wichtige Angelegenheit» florierte? Wir wissen es nicht. Wir lesen den Schlusssatz in unserem Büchlein: «Gold suchte und fand man einst im Waldstrom der Aa»; jetzt aber wird «goldene» Gesundheit der Suchende «trinken» an der Eisenquelle in Goldach. Glück auf!»

Den Traum eines Kurortes musste Goldach aufgeben. Geblieben ist «die bezaubernde Lage von Goldach am Bodensee» und ein tüchtiges, aufstrebendes Gemeindewesen, ein arbeitsames Glied in der sanktgallischen Ortschaftenfamilie.

Buchtitel: Rorschacher Monatschronik 1951, S.13-15
Copyright: 1951 by E. Löpfe-Benz, Rorschach

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