Eine ganze Schweizer Schulgemeinde besucht Kreßbronn

Start der Seeüberquerung am 28. Februar 1963 bei Rorschach
Start der Seeüberquerung bei Rorschach

500 Schulkinder, Lehrer und Eltern aus Rorschacherberg wollen heute über das Eis kommen

Eine ganze Schulgemeinde, mit Kindern und Erwachsenen etwa 500 bis 600 Personen, will heute vom Schweizer Ufer den 15 Kilometer weiten Weg über den zugefrorenen Bodensee wagen. Es sind die Schulklassen der Schweizer Gemeinde Rorschacherberg, die in Begleitung von Lehrern und Eltern das seltene Erlebnis einer Eiswanderung genießen und die freundschaftlichen Bande zwischen Rorschacherberg und der Gemeinde Kreßbronn vertiefen wollen. Präsident Federer von der Schulgemeinde Rorschacherberg war am Dienstag mit 7 Mitgliedern des Schulrates über das Eis nach Kreßbronn gewandert, um den Weg zu erkunden und die Eisverhältnisse zu prüfen. Die Schweizer Gäste fanden in Kreßbronn herzliche Aufnahme und erhielten die Versicherung, daß die große Besucherschar, die heute zu erwarten ist, gastfreundlich aufgenommen werde. Nach dem Empfang am Landungssteg sollen die Schulkinder mit ihren Begleitern in der Festhalle mit einem Imbiß und Getränken bewirtet werden.

Überwindung einer Eisbarriere mit einer 50 Zentimeter breiten Spalte
Überwindung einer 50 Zentimeter breiten Spalte

Wahrscheinlich sind die Schulkinder über 3 Stunden auf dem Eis unterwegs. Die Vorbereitungen für die Überquerung des Bodensees, die bei einer derartig großen Zahl von Menschen mit besonderer Sorgfalt getroffen werden müssen, wurden gestern veranlaßt. Trotzdem gibt ein solch weiter Weg über eine spiegelgatte, stellenweise mit Rissen durchzogene Eisfläche, den man mehreren hundert Kindern zumutet, zu ernsten Bedenken Anlaß, und es ist erstaunlich, daß die Schweizer Behörden zu einem solchen Wagnis ihre Zustimmung gegeben haben. Es ist nur zu hoffen, daß dieser Spaziergang über das Eis auch ein Spaziergang bleibt und sich nicht als ein lebensgefährliches Abenteuer erweist.

Bürgermeister Frick aus Kreßbronn hatte vor wenigen Tagen seinen schon lange gefaßten Vorsatz wahrgemacht und sich ebenfalls auf das Eis des Sees begeben. In seiner Begleitung befanden sich der Verkehrsamtsleiter, der Gemeindepfleger, Gemeindeinspektor und ein Verwaltungskandidat. Ihr Ziel war Rorschach, das sie nach einem strammen Marsch von 2 3/4 Stunden schließlich glücklich erreichten, schwitzend und etwas erschöpft; denn der Weg über spiegelglatte Fläche ging über die Kräfte her. Etwa auf der Mitte des Sees mußte, wie ein Augenzeuge berichtete, eine Eisbarriere mit einer 50 Zentimeter breiten Spalte überwunden werden.

Festlicher Empfang in Kressbronn
Festlicher Empfang in Kressbronn

In Rorschach wollten die Kreßbronner dem Stadtammann Grob ihre Aufwartung machen und einen heimatlichen Gruß überreichen: je eine Flasche Kreßbronner Burgunder und Ruländer. Leider aber stolperte der Träger der Flasche Burgunder auf dem Eis, es gab ein helles Klirren, und schon war der edle Tropfen auf der kalten Fläche zerronnen. So konnte Stadtammann Grob nur die Flasche Ruländer entgegennehmen.

Bürgermeister Frick fuhr gestern nachmittag nochmals mit dem Kraftwagen nach Rorschach, um weitere Einzelheiten des Besuches zu besprechen und die Zahl der Teilnehmer festzulegen. Die größeren Kinder sollen den See auf Schlittschuhen überqueren und auf dem gleichen Weg wieder nach Hause zurückkehren. Die Mehrzahl der Besucher aber wird die Rückkehr mit einem Sonderzug von Kreßbronn aus antreten. Viele Besucher aus Rorschach waren bereits gestern in Nonnenhorn. -pk-

Text: Schwäbische Zeitung vom Donnerstag, 28. Februar 1963
Fotos: Aus Nachlass Jakob Federer

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