Der Rorschacherberger Schulausflug

Vreni Buchenhorner, Vreni Stähli, Annemarie Kuster, Ernst Messmer (auf Schlitten), Emil Brocker, Helen Graf und Simon Federer

Schon ist beinahe eine Woche vergangen, seit die Schüler von Rorschacherberg jenen einmaligen gemeinsamen Ausflug über den Bodensee unternommen hatten. Hunderte und Tausende sind ihnen gefolgt, dieser oder jene hat über das Wochenende den See schon ein zweites oder gar ein drittes Mal überquert, und doch bleibt der gemeinsame Marsch in bester und lebhaftester Erinnerung. Und er wird es bestimmt auch immer bleiben, zeitlebens. Denn am Donnerstag war diese Seeüberquerung noch eine Art Pionierleistung, die nicht nur von den Schülern, sondern noch vielmehr von den Eltern, Lehrern und Schulräten eine nicht geringe Dosis Mut brauchte. Ueber das Wochenende war dann der Eismarsch schon eher etwas Selbstverständliches. Die «Straße» war praktisch sicher und ohne Risiken und es fehlte nur noch, daß sie gesandet war.

Wie bekannt, machte heute vor einer Woche der gesamte Schulrat von Rorschacherberg eine Testüberquerung. Der positive Ausgang dieser Prüfung gab dann den eigentlichen Anlaß zum offiziellen Marsch. Das besondere Charakteristikum dieses Ereignisses liegt darin, daß bei all den nötigen Vorarbeiten und Organisationsaufgaben zwischen den Schulbehörden von Rorschacherberg und den Behörden von Kreßbronn kein einziger Brief und keine Telephongespräche benützt wurden. Alle Verhandlungen wurden mündlich vorgenommen.

Herzlicher Empfang, Ansprachen und Darbietungen festigen die Freundschaft in der Turnhalle in Kressbronn
Darbietungen der Rorschacherberger Schuljugend

Wie schon berichtet, besuchte der Rorschacherberger Schulrat die Behörden von Kreßbronn und am folgenden Tag, am Mittwoch, war der Bürgermeister von Kreßbronn hier als Gast in Rorschacherberg, um die letzten Einzelheiten der Organisation zu regeln. Der verbindende Weg war immer das Eis. Die einigende Wirkung des Bodensees kam auch bei allen Ansprachen in Kreßbronn immer wieder zum Ausdruck, und das Eis hat nun eine Brücke geschlagen und (Zoll-) Schranken geöffnet in einer Art, wie man dies in der heutigen Zeit kaum mehr für möglich gehalten hätte. Diese neuen und verstärkten Bande der Freundschaft sind vielleicht wertvoller als all das Ungemach, das diese Seegfrörni halt auch mitgebracht hat.

Freundlich und herzlich war der Empfang in Kreßbronn und ebenso herzlich war der Abschied, als die Musik auf dem Bahnhof die Wartezeit verkürzte. Und als der Zug sich endlich Richtung Lindau bewegen konnte, da schien das Winken und Abschiednehmen kein Ende haben zu wollen. Es war wirklich ein Erlebnis ganz besonderer Art.

Herzlicher Empfang, Ansprachen und Darbietungen festigen die Freundschaft in der Turnhalle in Kressbronn
Darbietungen der Kressbronner Schuljugend

Für die Kinder — und nicht nur für sie — bedeutete auch die Möglichkeit, im Brennpunkt einer Radio- und Fernsehreportage zu sein, eine besondere Attraktion. Wenn auch nicht jeder Schüler und jede Schülerin interviewt werden konnte und wenn auch nicht jedes Gesicht auf dem Bildschirm — vor dem man übrigens an einigen Abenden vergeben wartete — erschien, man war halt doch dabei und wer gute Ohren hat, der hörte vielleicht seine eigene Stimme im gemeinsamen Gesang; wenigstens schien es doch so, nicht wahr?

Uebrigens, nicht nur die Rorschacherberger Kinder werden an diesen Tag immer zurückdenken, auch zwei Kindern aus Kreßbronn wird dieses Ereignis wahrscheinlich untilgbar im Gedächtnis haften. Wie der «Südkurier» nämlich meldet, wurden am Donnerstagabend in Kreßbronn zwei 12 und 13 Jahre alte Kinder als vermißt gemeldet. Landespolizei und Wasserschutzpolizei hatten sofort, als die Vermißtenmeldung gegen 21:15 Uhr eintraf, alle Maßnahmen für eine Suchaktion getroffen.

Warten auf den Sonderzug von Kreßbronn nach Rorschach
Warten auf den Sonderzug nach Hause in Kreßbronn

Glücklicherweise konnte die Aktion jedoch etwa 20 Minuten später wieder abgeblasen werden. Die Kinder waren inzwischen völlig erschöpft an das deutsche Ufer nach Kreßbronn zurückgekehrt. Sie hatten einige Schüler von der Schule Rorschacherberg mit Schlittschuhen auf dem Eis nach Rorschach zurückgeleitet und waren dann erst in der Dämmerung auf dem Eis zurückgekehrt.

Dieser denkwürdige Tag hatte also ein glückliches Ende. Man wird wohl kaum über treiben, wenn man sagt, daß dieses Ereignis in die Geschichte des Bodensees eingehen wird, denn wer weiß, wann die nächste totale Bodenseegfrörni wieder stattfindet? rö.

Text: Rorschacherzeitung, Dienstag, 5. März 1963
Fotos: Aus Nachlass Jakob Federer

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